Im Beitrag zum Teebuch (Hier) erzählte ich von meinem Besuch bei Buch Janssen in Bochum. Dort fand ich auch Wespen. Eine Versöhnung.
Auf Anhieb interessierte mich die Aufmachung (Ja, ich bin auch Verpackungskäufer). Das Titelbild wirkt altmodisch, ist dezent bunt und entstammt dem picturearchive look and learn, das hat vermutlich nix mit dem Inhalt zu tun, passt aber dazu, dass mit dem Buch der Wespen eine gigantische Fülle an Wissen vermittelt wird. Der Umschlag wirkt griffig, leicht rubbelig, ist also kein Handschmeichler, liegt aber gut in der Hand.
Allerdings lege ich den Buchumschlag immer zur Seite bevor ich ein Buch lese, sonst verrutscht er und ist bald kaputt.
Aber nun: Frau Sumner verrät, wie Sie vom Kind, das aus Neugier eine Nacktschnecke aß, zu einer Professorin für Verhaltensökologie wurde, die die Ökologie und Evolution sozialer Insekten untersucht.
Ich fand das Buch nicht nur äußerlich ansprechend, sondern auch thematisch interessant, weil für mich Wespen eigentlich nur die Störenfriede des Herbstes sind waren und ich neugierig war, was außer Störenfried noch auf 430 Seiten über Wespen geschrieben werden könnte.
Zunächst: Ameisen sind eigentlich Wespen ohne Flügel. Bienen sind honigsammelnde Wespen. Hummeln gehören auch zur (upps, beinahe hätte ich Familie geschrieben, aber Familie wird biologisch anders angewendet) – also: Hummeln sind irgendwie auch Wespen. Ach ja, es gibt auch Termiten – die wirken auf Menschen ein bisschen wie Ameisen, sind aber keine, sondern Schaben.
Frau Sumner findet Wespen richtig toll. Und ich jetzt auch. Sie schreibt, dass die meisten Menschen Wespen doof und Bienen ganz wunderbar finden, weil ja jede*r weiß, dass Bienen Pflanzen bestäuben und dass die Natur ohne Bienen fürchterlich aufgeschmissen wäre.
Tja, dasselbe schreibt nun Frau Sumner über die Wespen: Wespen sind sehr sehr zahlreich als Menge, aber auch in ihren Daseinsformen. Es gibt zig Arten und Unterarten, die zum Teil sehr auf Beutetiere oder Pflanzen oder regionale Zusammenhänge spezialisiert sind. Ihr räuberisches Verhalten ist eher nicht auf Omas Pflaumenkuchen oder unsere Picknickweintrauben ausgerichtet, sie mögen ganz viele Insekten, die in der Natur Schäden anrichten und sind damit für die Natur möglicherweise in größerem Zusammenhang nützlich als Bienen. Da aber Bienen ohnehin Wespen sind, ist das ja egal.
Frau Sumner schreibt überaus lebendig über die Geschichte der Wespenforschung, gibt fiktive Gespräche mit den von ihr vorgestellten Wespenflüsterer*innen zum Besten und beschreibt auf diese Weise höchst anschaulich, zu welchen Schlüssen Forschende unterschiedlicher Epochen bei gleichen Ausgangslagen gekommen sind und warum Fehlschlüsse dennoch zu positiven Erkenntnissen geführt haben.
Ganz bemerkenswert sind Erkenntnisse, die von der Wespe im Allgemeinen auf das Verhalten aller Anderen übertragbar sind. Aus den sozialen Leistungen miteinander verwandter Wespenvölker in Panama konnten gute Ergebnisse zur Altruismusforschung erbracht werden. Fast selbstverständlich konnten aus den sozialökonomischen Verhaltensweisen von Wespen Parallelen mit menschlicher Wirtschaftsökonomie gezogen werden. Für mich gewinnt durch solche Vergleiche Evolutionsbiologie gleich eine neue Strahlkraft.
Wunderbar sind im Übrigen Schlüsse aus Erkenntnissen, die in früheren Epochen aufgrund damaliger gesellschaftlicher Vorstellungen einfach falsch gezogen wurden: Aristoteles konnte nicht über die in seiner Gesellschaft festgelegten Regeln von Geschlechterrollen und einer Kastengesellschaft hinausdenken, was zu einer verqueren Ansicht der Bienengesellschaft führte. Darüber zu lachen wäre dumm, stellen doch Stereotype in den heutigen Gesellschaften ebenfalls schlecht überwindbare Barrieren dar.
Im Buch wird viel über die Ernährungsweisen verschiedener Wespen erzählt. Das wirkt nicht immer appetitlich. Aber oft spannend und immer gut erzählt.
Oh, bei den oben genannten ersten Erkenntnissen hatte ich die Hornissen gar nicht erwähnt – ja, das sind auch Wespen – und dazu gibt’s auch ein paar erstaunliche Geschichten. Zum Beispiel die von der chinesischen Orchidee, die den Duft eines angegriffenen Honigbienennestes ausströmt, um die Hornisse Vespa Bicolor anzulocken. Die Hornisse glaubt, es gibt etwas zu fressen, tatsächlich wird ihre aggressive Angriffswucht von der Orchidee benötigt, um den Bestäubungsakt durchführen zu lassen.
Natürlich verlockt das Wespenbuch sehr zum weitersuchen im Netz, was die Lektüre zeitlich, aber auch in ihren Wonnen sehr ausdehnt.
Eine absolute Leseempfehlung!!
Wespen. Eine Versöhnung