Der Schoß ist fruchtbar noch …
Am 10. Mai 1933 wurden, von der deutschen Studentenschaft (DSt) initiiert, von Studenten, Professoren und Mitgliedern unterschiedlicher Nazi – Organisationen in 22 deutschen Städten Bücher verbrannt. Ziele der Aktion waren die „Gleichschaltung“ und die Unterdrückung der freien Meinung.
Aus „schwarzen Listen“ wurden weitere erstellt, nach denen ab April aus Universitäts- und Institutsbibliotheken entsprechende Bücher zur Verbrennung abtransportiert wurden. Ab dem 6. Mai 1933 wurden von studentischen Kadern und Truppen große Teile der Buchbestände aus Buchhandlungen und Leihbüchereien geplündert. Die öffentlichen Stadt- und Volksbüchereien wurden aufgefordert, ihre Bestände zu „säubern“ und die ausgesonderten Bücher den Studentenschaften für die Bücherverbrennungen am 10. Mai zu übergeben. Mehr als 20.000 Bücher werden alleine in Berlin zur Verbrennung gesammelt.
Per Rundschreiben forderte das DSt-Hauptamt das Verbrennen der Werke dieser 15 Autoren, die bei der Verbrennung ihrer Bücher namentlich in sogenannten Feuersprüchen genannt wurden unwiderruflich auf:
Karl Marx |
Karl Kautsky |
Heinrich Mann |
Ernst Glaeser |
Erich Kästner |
Emil Ludwig |
Friedrich Wilhelm Foerster |
Sigmund Freud |
Werner Hegemann |
Theodor Wolff |
Georg Bernhard |
Erich Maria Remarque |
Alfred Kerr | Kurt Tucholsky |
Carl von Ossietzky |
Einige von ihnen waren auf den vorhergegangenen schwarzen Listen nicht aufgeführt. Den Universitäten wurde „die Freiheit eingeräumt“, weitere Autoren und Bücher auf die Verbrennungslisten zu setzen. Von der Universität Halle-Wittenberg wurden Werke von Heinrich Heine, Klabund, Frank Wedekind, Albert Ehrenstein, Carl Zuckmayer und Friedrich Hollaender gebrandmarkt. In Hannover, Hamburg, Göttingen und Köln wurden Werke von Thomas Mann verbrannt.
Die öffentlichen Bücherverbrennungen waren der Höhepunkt der sogenannten „Aktion wider den undeutschen Geist“, mit der im März 1933, nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten, die systematische Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller begann.
Am Berliner Opernplatz wurden die Bücher von 24 Autoren verbrannt. Einer von Ihnen war Erich Kästner, der allerdings zur Verbrennung selbst erschien. Er nannte die Verbrennung eine „theatralische Frechheit“, die sogenannten Feuersprüche, die Goebbels kreischte, während die Bücher auf die Scheiterhaufen geworfen wurden, bezeichnete Kästner als
„schmalzige Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners“.
Nach dem Krieg gaben Alfred Kantorowicz und Richard Drews im eine Anthologie „Verboten und verbrannt“ -Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt (Ullstein / Kindler, Berlin/ München, 1947) heraus, bei der es im Vorwort hieß :
„Das war kein ‚spontaner Akt’ einer unvernünftigen Menge gewesen, sondern eine wohlüberlegte und sorgfältig organisierte Veranstaltung nationalsozialistischer Staatsraison. Wie die Reichstagsbrandstiftung am 28. Februar 1933 das Fanal des Terrors gegen alle Antifaschisten, der Judenboykott vom 1. April 1933 der Auftakt der Pogrome, die Auflösung und Ausraubung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 die Proklamierung der sozialen Unterdrückung gewesen waren, so waren die Autodafés vom 10. Mai der sichtbare Beginn der amtlich verfügten und mit terroristischen Mitteln durchgeführten Entgeistigung und Barbarisierung Deutschlands.“
Heinrich Heine, dessen Werk von den Nazis später ebenfalls verboten wurde, wird oft im Zusammenhang mit der Bücherverbrennung zitiert. In seiner 1823 veröffentlichten Tragödie „Almansor“ lässt er seinen Protagonisten Hassan sagen:
„Das war ein Vorspiel nur. Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Tragisch und unfassbar ist, dass Heine damit die Wirklichkeit vorweggenommen hat.
Heute ist der 10. Mai 2017. Die Bücherverbrennungen liegen 84 Jahre zurück. In Frankreich erhielt eine rechtsgerichtete Kandidatin 32% der abgegebenen Stimmen ihrer Landsleute. In Deutschland stehen verschiedene Wahlen an. Es bleibt zu vermuten, dass die sich immer mehr faschistisch gebärdende AfD in den Bundestag einziehen wird. Wir haben nicht alle in gleicher Weise aus den Ereignissen der faschistischen Herrschaft gelernt.
Oskar Maria Graf beschrieb sie in seinem in der Wiener Arbeiterzeitung 1933 publizierten Aufruf, auch seine Bücher zu verbrennen, als er schrieb, er habe
„das Recht, zu verlangen“, dass seine „Bücher … nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen“.
Der 10. Mai ist ein Tag der Mahnung. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Faschisten sich ausbreiten und neuen Terror verbreiten!