In der vergangenen Woche waren wir als kleine Familienreisegruppe in Jerusalem.
Jerusalem
ist eine überaus aufregende Stadt, in der schon für den nur an der Oberfläche schrammenden Touristen viele unterschiedliche Welten aufeinander zu treffen scheinen:
Wir wohnten in einem Hotel im arabischen Ostteil der Stadt, in dem ein wichtiger jüdischer Friedhof liegt, an dem sich aufgrund eines Feiertags an unseren ersten beiden Tagen Hunderte orthodoxer Juden trafen. Wir schwammen mit in der Masse, beobachteten, wie die ultraorthodoxen Juden die Hände vor ihre Augen hielten, um sich vor dem Anblick nackter weiblicher Unterarme zu schützen, hatten einen wachsamen Blick auf die Militärpolizei und auf die muslimische Nachbarschaft, die nicht ganz so begeistert von dem jüdischen Besuch wirkte. Von unserem Hotel hatten wir gute Blicke auf die Altstadt, aus der mit Grabeskirche und Felsendom zwei der wichtigsten Heiligtümer von Christentum und Islam ragten. Auf dem Weg in die Stadt den Ölberg hinab: einige der wichtigsten christlichen Kirchen Jerusalems im Garten Gethsemane sowie die Grabeskirche Marias. Durch das Löwentor betritt man dann die berühmte Via Dolorosa, der Weg, den Jesus nach seiner Verurteilung zu seiner Kreuzigung auf Golgotha ging. Historisch betrachtet ist dies nicht authentisch, was die -zigtausende Pilger jedes Jahr jedoch nicht stört. In der Altstadt wimmelte es von verschieden gekleideten Menschen unterschiedlichen Aussehens, vielleicht bemerkten wir die Übergänge zwischen den verschiedenen Vierteln deswegen oft erst spät, vielleicht aber auch, weil die Übereinstimmungen der Waren und der Marktstände sehr groß waren.
Unser Programm
bestand natürlich zum Großteil aus Schauen. Vor dem Hintergrund der sandfarbenen Mauern der Stadt wurde uns ein hinreißendes Farbenspiel von Stoffen, Gewürzen, Gemüsen, Obst und vielem mehr geboten. Wir sahen Angebote, die probiert, befühlt und beschnüffelt werden mussten. Neben dem ausgiebigen Herumstromern in der Altstadt mit den Besuchen der vielen wichtigen religiösen und kulturhistorischen Stätten hatten wir aber auch noch ein weiters Ziel:
Zu meinen Reisevorbereitungen gehört der Blick ins Netz. Allerdings sehe ich nicht nach Tipps für den besten Badestrand (meine Badehose spannt am Bauch) oder den tollsten Club (ich tanze wie eine Bratwurst), sondern nach Buchgeschäften (gerne mit den Zusätzen „breites Angebot“, „schöne Einrichtung“, „freundliches Personal“ …)
Bei meinen Vorbereitungen für die Reise nach Jerusalem stieß ich auf die Book Gallery, ein Antiquariat mit großem internationalen Angebot. Die Book Gallery sollte also Programmpunkt werden. Nach einem Bummel auf dem Basar, den Bauch voll mit Kichererbsenpüree, Brot und schwarzem Tee, die Tasche mit verschiedenen Mitbringseln gefüllt, schwitzten wir uns durch die von der Sonne aufgeheizte Stadt und waren auf den ersten und zweiten Blick – enttäuscht. An der Straßenecke der vermuteten Adresse war eine Baustelle und kein Buchgeschäft.
Aber – puh, ein Stückchen weiter den Berg hoch konnte ich auf einer grünen Markise „Book Gallery lesen“. Als wir eintraten, entfleuchte uns ein „Oh, das ist aber klein!“, denn der (sichtbare) Laden umfasste etwa 16 qm, vollgestellt mit Schreibtischen und vier Personen.
Und dann öffnete sich das Paradies
Aus dem kleinen Ladenlokal führt eine Wendeltreppe in den Keller. Gefüllte Bücherregale unterschiedlicher Bauart sind an den Wänden aufgereiht, auf Tischen sind mittlere, große und riesige Büchertürme aufgestapelt. Hier und da stehen alte Sofas, Stühle oder Sessel als ausdrückliche Einladung zum Schmökern.
Als wir in einer der sehr gebraucht wirkenden Chippendale – Sitzgruppen saßen, um dieses Bücherpanorama auf uns wirken zu lassen, tauchte ein Bücher tragender älterer Mann auf, der nach einem freundlichen Gruß erst einmal einen weiteren Ventilator für uns anschaltete. Wir kamen ins Gespräch. Er stellte sich als Besitzer der Book Gallery vor und berichtete, wieviel Arbeit ein Antiquariat bedeute. Er habe sich, bevor er seinen Laden eröffnete, viele Buchläden angesehen und seinen Laden nach den unterschiedlichen Vorbildern, die er auf seinen Reisen gesehen hatte, eingerichtet.
Auf die Frage, woher die im Geschäft angebotenen Bücher stammen, bekamen wir zur Antwort, dass Jerusalem eine international bedeutende Stadt ist. Die internationale Gesellschaft in Jerusalem ist immer in Bewegung. Die Bücher stammen aus Bibliotheken oder von Menschen, die, bevor sie Jerusalem verlassen, ihre Buchbestände reduzieren. Auf diesem Wege verfügt der Fundus über Bücher in unterschiedlichsten Sprachen – die Bandbreite ist groß: Fachliteratur diverser Disziplinen ist ebenso vorhanden wie Belletristik unterschiedlicher Genres.
Natürlich haben wir einige Bücher gefunden, mussten uns aber wegen überfüllter Taschen bescheiden. So rutschten eine Helene Hanff, eine Alan Bennet sowie ein Saul Friedmann über den Ladentisch und die Wunschliste im Handy wurde wieder länger ..
Die Book Gallery besticht als Oase der Bücher in einer unruhigen, zu unserer Reisezeit ungeheuer heißen Großstadt, die in mehr als einer Hinsicht besonders ist. Als Bücherfreund*in/ -sammler*in oder -jäger*in kann sich jede*r gut aufgehoben fühlen. Das Angebot ist groß, Englisch lesende haben eine wirklich riesige Auswahl an sehr Altem aber auch modernem Antiquariat zu sehr moderaten Preisen.
Nach unserem Antiquariatsbesuch fielen uns natürlich weitere Buchläden auf: Antiquariate, Handelskettengeschäfte, auf allgemeine, christliche oder jüdische Theologie spezialisierte Inhaberläden, und weitere, denen wir nicht nachspürten. Aber schon aufgrund unserer nicht vorhandenen Hebräisch – Kenntnisse boten sich verschiedene Geschäfte nicht so sehr zum Stöbern an. Jerusalem hat sich aber ebenfalls in die Reihe der Städte eingereiht, die Bücherschränke zum Tauschen aufgestellt haben.
Ein paar Fragen bleiben natürlich nach unserem Besuch in der Book Gallery: Woher bekomme ich jetzt so einen schönen durchgesessenen Chippendale – Sessel (oder so ein Sofa)? Und wohin kann ich ihn/es stellen?
*quid quaeque ideo definiendae
ist Latein, ich weiß, aber in Hebräisch oder arabisch habe ich es nicht hinbekommen 😉
Hier kann man online stöbern.
Das hört sich ja nach einem Abenteuer an!
Liebst, Marie 🙂
Oh ja, das war es wirklich. Wenn nach der Reise dann noch die Meldung einer Schießerei kommt, dann wird die Perspektive noch mal verschoben.