Bücherei und Buchgeschäft
Als Kind und junger Jugendlicher hatte ich das große Glück, dass unsere städtische Bücherei ganz in der Nähe meines Zuhauses war. So konnte ich, nachdem mich die Leselust gepackt (Warum ich lese…) hatte, mehrmals in der Woche dorthin gehen. Die Bücherei befand sich in einer verwinkelten ehemaligen Volksschule, roch leicht muffig und wirkte auf mich durch die Helligkeit der großen Fenster zur Straße und der hohen weißen Decken einerseits und das Dunkel der vergilbt wirkenden Einrichtung andererseits wie eine eigene, unwirkliche Welt. Die Suche nach Büchern führte ich wie Safaris durch. Ich kannte keine aktuellen Bücher, deswegen suchte ich sie nach Titel, Gestaltung und Geruch aus. Zunächst hielt ich mich an die Altersangabe an den Regalen, da meine Lesewelt dadurch aber eingeengt war – nicht sehr lange.
Sehr hilfreich fand ich die Gespräche mit einer der damaligen Bibliothekarinnen, die mich fragte, was mir gefiel und mir Tipps für neue Ausleihen gab.
Ähnliche Lesetipperfahrungen mache ich in Buchgeschäften. Je öfter ich dort kaufe, desto passender sind die Hinweise, die ich bekomme. Ungeheuer beeindruckend ist der Buchhändler Uli Stern in Heessen. Als ich ihn um Tipps für Büchergeschenke für meine Frau bat, machte er mir Vorschläge nach einer Liste ihrer Buchvorlieben. Meine Buchgeschenke kamen überaus gut an.
Die Bibliothek meiner Jugend hat auch durch meine Lesesafaris zwischen diesen für mich hohen Regalschluchten meine Fantasie beflügelt. Trotzdem mehrere Menschen im Raum waren, konnte ich mich wie ein Großwildjäger oder Trapper ganz alleine zwischen den Bücherwänden bewegen und Abenteuer spielend erleben.
Bücher in Büchern
Vor etwa einem Jahr machten wir einen Großeinkauf im Stern – Verlag, einem der größten inhabergeführten Buchläden in NRW, der in der Zwischenzeit allerdings nun abgewickelt ist…
Beim Stöbern fand ich drei Bücher (Blätterrauschen, Rahlens / Taberna Libraria, Eliott / Eine Buchhandlung auf Reisen, Morley), deren Handlung im Buchgeschäft stattfand. Mit den zuvor gekauften Buchhandlungsbüchern von Fitzgerald und Hartlieb, hatte ich innerhalb weniger Wochen schon einige Bücher aus dem Themenkreis ins Regal gestellt. Mit wachsender Begeisterung durchsuchte ich unseren Bücherhort und fand mehrere Bücher, deren Handlungsorte Buchhandlungen oder Bibliotheken sind. Das vermutlich am häufigsten Gelesene ist die „Unendliche Geschichte“ von Michael Ende.
In der kleinen Sammlung sind unterschiedliche Genres bedient: Das Spektrum reicht vom Jugendbuch bis zur sozialkritischen Gesellschaftsbeschreibung. Kriminalfall, Liebe, Magische Welten, Utopie, gerne auch gemischt – alles ist möglich in der Welt der Literatur. Buchhandlungen und Bibliotheken haben offenkundig viele Autoren zu Geschichten animiert. Und es sind die Geschichten, die animieren. Gerade in Geschichten über Bücher dürfen die Lieblingsgeschichten und ihre Autoren zitiert werden. In Sheridan Hays „Die Antiquarin“ werden Hermann Melville und sein Moby Dick zum Leitthema der Kriminalgeschichte.
Mein Lieblingserlebnis mit den „Bücherwelten – Büchermenschen“ ist, dass ich in einem der wunderbarsten Buchläden „Shakespeare & Company“ in Paris auf „The little Paris Bookshop“ von Nina George aufmerksam wurde, das ich mir später in der deutschen Ausgabe kaufte. Als Verpackungskäufer hätte ich eher die englische Ausgabe gewählt. Sie ist schöner aufgemacht.
Es gilt das geschriebene Wort
Die Gestaltung der Bücher über Bücher ist meist schön. Manchmal sogar aufwendig. Wunderschön finde ich die Aufmachungen von „Eine Buchhandlung auf Reisen“ und „Das Haus der vergessenen Bücher“ von Christopher Morley aus dem Atlantik Verlag. Irreführend dagegen: „Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek“ hatte ich mir insbesondere aufgrund der wunderbaren Umschlaggestaltung ganz anders vorgestellt.
Büchermenschen
Es ist nicht nur der Handlungsort, die Bücherwelt wichtig – Personen, die Büchermenschen, sind es, die die Handlung vorantreiben – ohne, daß die Handlung im Buchgeschäft oder der Bibliothek spielt:
Einige besondere Buchvorschläge habe ich mir in den letzten Büchern erlesen. Joanna Rakoff macht viele Vorschläge, naturgemäß erzählt sie einiges von Salinger. Eine wahre Bücherflut hat Nina Sankovitch los getreten, die in ihrer Geschichte die Bücher, die sie liest, in den Kontext ihrer Lebensereignisse und ihres Alltags stellt und darüber reflektiert.
In den unterschiedlichen Geschichten wird oft herausgestellt, wie wichtig die Phantasie für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist. Übereinstimmend machen unterschiedliche Autoren deutlich, wie sehr das Erlebnis Buchladen, die Bibliothek, die Bücher oder das Lesen sie selbst geprägt hat und Menschen prägen kann, deswegen werden Buchgeschäfte oft zum Mittelpunkt des individuellen Universums. Vermutlich liegt hier meine beständige Begeisterung für Bücherwelten und Büchermenschen begründet.
In meinem Regal der ungelesenen Bücher warten noch ein paar Bücherwelten – Bücher auf mich. Und ich freue mich auf sie.
Lieber Klaus, liebe Andrea,
ich bin soeben von Annas Blogbummel hierher gelenkt worden …
Darf ich Euch noch auf ein weiteres, lesenswertvolles Bücherbuch aufmerksam machen?
Thomas Montassers „Ein ganz besonderes Jahr“ ist ein feines, buchliebhaberisches Buch, mit erlesenen Leseappetitanregungen auf literarischem Niveau. Formulierungsflirtend lockt uns der Autor auf alte und neue Lesewege, streut hier und da ein passendes Zitatblütenblatt als literarische Duftnote auf den Weg und fügt diesen Bücherreigen charmant-changierend in den Handlungsverlauf des eigenen Buches ein.
Mit „Ein ganz besonderes Jahr“ betreten wir den Schauplatz einer kleinen, schönen altmodischen Buchhandlung, deren bescheidene räumliche Ausdehnung in inspirierendem Kontrast zur geistigen Weite und Weltläufigkeit der dort verborgenen literarischen Schätze und Horizonte steht.
Hier geht es um die Liebe zu Büchern, die Verführungskraft von Geschichten, die Berührung durch Poesie, die Zauberkraft von Sprache, um schicksalhafte Wendungen, rätselhafte Fügungen, zwischenmenschlich-einflußreiche Buchhändler, phantasievolle Spielräume und nicht zuletzt um den roten Faden der Liebe im allgemeinen und im besonderen.
Nachfolgend der Link zu meiner vollständigen Rezension:
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/06/10/ein-ganz-besonderes-jahr/
Bibliophile Grüße
Ulrike von Leselebenszeichen
Hallo Ulrike,
du hast absolut Recht. Ein ganz besonderes Jahr ist ein verwunschen schönes Buch. Wir haben es im April besprochen. Als wir bei einer Buchladenexkursion zum Litfass in Dortmund vor einiger Zeit Monsieur Jean von Thomas Montasser fanden, haben wir uns den Inhalt schon gar nicht mehr angesehen, weil, wenn jemand ein ganz besonderes Jahr schreiben kann, wird auch das nächste Buch gut sein. Und so war es, aber das weißt du ja schon 😉
Viele Grüße,
Klaus